Wer kennt das nicht: Der Laptop-Akku schmilzt dahin wie Eis in der Sommersonne, obwohl Chrome nur im Hintergrund läuft. Oder der Arbeitsspeicher ächzt unter der Last, während man eigentlich nur ein paar Tabs offen hat. Was viele nicht wissen: Selbst minimierte oder inaktive Tabs können erhebliche Ressourcen verbrauchen – vor allem wenn Websites im Hintergrund Push-Benachrichtigungen senden oder andere Prozesse ausführen. Dieses versteckte Problem macht Chrome zum heimlichen Energiefresser, der die Systemleistung spürbar beeinträchtigt.
Warum Hintergrund-Tabs zum Performance-Problem werden
Chrome erlaubt Websites standardmäßig, auch dann aktiv zu bleiben, wenn ihr Tab nicht sichtbar ist. Das bedeutet: Nachrichtenseiten aktualisieren ihre Headlines, Social-Media-Plattformen checken auf neue Mitteilungen, und Streaming-Dienste halten Verbindungen aufrecht. Diese Hintergrundaktivitäten summieren sich schnell zu einem beachtlichen Ressourcenverbrauch.
Besonders tückisch sind Push-Benachrichtigungen. Einmal erlaubt, richten Websites einen dauerhaften Kommunikationskanal ein, der selbst dann aktiv bleibt, wenn der Browser minimiert ist oder der Tab längst geschlossen wurde. Diese Service Worker genannten Hintergrundskripte laufen eigenständig weiter. Pro Registerkarte können dabei schnell mal bis zu 200 Megabyte zusammenkommen – multipliziert mit der Anzahl der Websites, denen man diese Berechtigung erteilt hat.
Die versteckten Stromfresser identifizieren
Der erste Schritt zur Problemlösung ist die Diagnose. Chrome bietet dafür den integrierten Chrome Task-Manager, den man über Shift + Esc oder über das Menü unter „Weitere Tools“ erreicht. Hier offenbart sich oft ein überraschendes Bild: Tabs, die man seit Stunden nicht angesehen hat, verbrauchen teilweise mehr Ressourcen als aktiv genutzte Fenster.
Achtet besonders auf die Spalten „Arbeitsspeicher“ und „CPU“. Websites mit aktivierten Benachrichtigungen zeigen oft konstante Aktivität, selbst wenn sie vermeintlich ruhen. News-Portale, E-Mail-Webclients und Messaging-Dienste sind hier die üblichen Verdächtigen. Ein weiterer Hinweis: Wenn der Lüfter eures Laptops anspringt, obwohl ihr nur nebenbei YouTube im Hintergrund laufen habt, liegt das häufig an genau diesen versteckten Prozessen.
Push-Benachrichtigungen radikal aufräumen
Die effektivste Sofortmaßnahme ist eine kritische Bestandsaufnahme aller erteilten Benachrichtigungsberechtigungen. Navigiert dazu zu chrome://settings/content/notifications – hier findet ihr eine vermutlich erschreckend lange Liste von Websites, denen ihr irgendwann mal die Erlaubnis gegeben habt, euch zu kontaktieren.
Seid radikal: Die meisten dieser Benachrichtigungen braucht man nicht wirklich. Nachrichten-Websites müssen euch nicht in Echtzeit über jede Eilmeldung informieren, wenn ihr sowieso regelmäßig vorbeischaut. Löscht konsequent alle Einträge, die nicht absolut notwendig sind. Bei den verbleibenden könnt ihr differenzieren: Manche lassen sich auf „Fragen“ umstellen, sodass die Website künftig wieder um Erlaubnis bitten muss.
Die wichtigsten Einstellungen im Überblick
- Öffnet chrome://settings/content/notifications für die Benachrichtigungsverwaltung
- Setzt den Standard auf „Websites können nicht nach Benachrichtigungen fragen“, wenn ihr generell keine Browser-Benachrichtigungen möchtet
- Überprüft die Liste unter „Zulässig“ und entfernt großzügig
- Nutzt die Suchfunktion, um gezielt nach bestimmten Domains zu suchen
Hintergrundaktivitäten systemweit eindämmen
Chrome verfügt über eine versteckte Einstellung, die viele nicht kennen: Die Option „Hintergrund-Apps weiter ausführen, wenn Google Chrome geschlossen wird“ unter chrome://settings/system. Diese sollte unbedingt deaktiviert werden, es sei denn, ihr nutzt bewusst Chrome-Erweiterungen, die im Hintergrund arbeiten müssen.
Wenn diese Option aktiviert ist, bleibt Chrome auch nach dem Schließen aller Fenster als Prozess aktiv – nur um Push-Benachrichtigungen empfangen zu können. Das ist in den wenigsten Fällen wünschenswert und kostet permanent Ressourcen.
Tab-Verwaltung intelligent automatisieren
Chrome hat seit Version 108 eine Funktion namens Memory Saver (Arbeitsspeicher sparen) eingebaut, die inaktive Tabs automatisch in einen Ruhezustand versetzt. Sie findet sich unter chrome://settings/performance und sollte standardmäßig aktiviert werden. Diese Funktion entlädt Tabs, die längere Zeit nicht genutzt wurden, aus dem Arbeitsspeicher, während sie visuell weiterhin geöffnet bleiben. Laut Google können damit bis zu 40 Prozent oder 10 Gigabyte Speicher freigegeben werden.

Der Clou: Beim erneuten Anklicken werden die Tabs wieder geladen – für den Nutzer meist nahtlos, aber der Ressourcenverbrauch sinkt spürbar. Favicon, Titel und der Tabeintrag im Browser bleiben dabei bestehen, sodass man kaum einen Unterschied bemerkt. Ihr könnt sogar Ausnahmen definieren für Websites, die dauerhaft aktiv bleiben sollen, etwa Web-basierte Musik-Player oder wichtige Arbeitstools.
Ergänzende Strategien für Power-User
- Nutzt die Tab-Gruppierung, um verwandte Tabs zusammenzufassen und bewusster zu verwalten
- Gewöhnt euch an, Tabs mit Strg + W konsequent zu schließen statt sie „für später“ offen zu lassen
- Setzt Lesezeichen für Seiten, die ihr regelmäßig braucht, statt sie dauerhaft offen zu halten
- Erwägt Erweiterungen, die aggressiver Tabs einfrieren, sofern sie aus vertrauenswürdigen Quellen stammen
Service Worker kontrollieren und bereinigen
Die bereits erwähnten Service Worker sind die technische Basis für Push-Benachrichtigungen und Progressive Web Apps. Sie laufen völlig unabhängig von geöffneten Tabs. Um zu sehen, welche Service Worker aktuell aktiv sind, besucht chrome://serviceworker-internals. Diese Übersicht zeigt alle registrierten Worker. Hier könnt ihr gezielt einzelne deaktivieren oder komplett entfernen. Ein gründliches Aufräumen kann hier Wunder wirken, gerade auf älteren Systemen mit begrenztem RAM.
Nach 10 Sekunden im Hintergrund unterliegen Seiten automatisch Einschränkungen des Zeitbudgets, was die Systemlast reduziert. Trotzdem lohnt es sich, die Liste manuell durchzugehen und nicht mehr benötigte Worker zu entfernen. Jeder aktive Service Worker verbraucht Speicher und Rechenleistung – auch wenn die einzelnen Werte klein erscheinen mögen, summiert sich das bei dutzenden registrierten Workern schnell.
Site-Einstellungen granular anpassen
Für einzelne Websites lassen sich unter chrome://settings/content noch weitere relevante Berechtigungen einschränken. Neben Benachrichtigungen solltet ihr besonders auf die Hintergrund-Synchronisierung achten. Websites können damit Daten synchronisieren, selbst wenn ihr sie nicht nutzt. Web-Apps wie Gmail oder Slack nutzen diese API, um auch bei inaktivem Tab Nachrichten zu empfangen – praktisch, aber ressourcenintensiv.
Auch automatische Downloads können problematisch sein. Manche Seiten laden im Hintergrund Dateien herunter, ohne dass ihr es bemerkt. Ebenso kostet die Berechtigung für Ton CPU-Ressourcen, wenn Websites Sounds abspielen dürfen. Im Extremfall könnt ihr für ressourcenhungrige Seiten JavaScript komplett blockieren, wobei das natürlich die Funktionalität einschränkt.
Den Energiesparmodus gezielt einsetzen
Neben dem Memory Saver bietet Chrome seit Version 108 auch einen Energiesparmodus. Dieser wird automatisch aktiviert, sobald der Ladestand des Akkus unter 20 Prozent fällt oder wenn das Gerät vom Stromnetz getrennt ist. Der Modus reduziert die Displayaktualisierungsrate und drosselt Hintergrundaktivitäten, was die Akkulaufzeit merklich verlängert.
Ihr findet diese Einstellung ebenfalls unter chrome://settings/performance. Dort könnt ihr festlegen, ob der Energiesparmodus nur bei niedrigem Akkustand oder dauerhaft aktiv sein soll. Für Laptop-Nutzer, die viel unterwegs arbeiten, lohnt sich diese Konfiguration besonders. Die Performance-Einbußen sind minimal, während der Akku-Gewinn deutlich spürbar ist.
Präventive Maßnahmen für die Zukunft
Entwickelt eine gesunde Skepsis gegenüber Benachrichtigungsanfragen. Die meisten Websites bitten darum, weil es ihre Besucherzahlen erhöht, nicht weil es euch hilft. Klickt bei der Popup-Anfrage standardmäßig auf „Blockieren“ – falls ihr die Benachrichtigungen doch vermisst, könnt ihr sie später in den Einstellungen gezielt aktivieren.
Ein weiterer Tipp: Nutzt für ressourcenhungrige Web-Apps lieber dedizierte Desktop-Anwendungen, falls verfügbar. Diese sind oft besser optimiert als ihre Browser-Pendants und laufen außerhalb der Chrome-Prozessstruktur. Oder erwägt die Nutzung von Firefox oder Edge für bestimmte Aufgaben – Browser-Vielfalt kann auch eine Performance-Strategie sein.
Durch konsequentes Management der Hintergrundaktivitäten lässt sich die Browser-Performance deutlich verbessern. Der Arbeitsspeicherverbrauch kann um bis zu 40 Prozent sinken, was mehrere Gigabyte ausmachen kann. Der Aufwand für die einmalige Konfiguration zahlt sich aus – euer System wird es euch mit spürbar flüssigerem Arbeiten danken.
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