Was ist das Phänomen der „emotionalen Ansteckung“ bei der Arbeit, laut Psychologie?

Warum die miese Laune deines Kollegen gerade deinen ganzen Tag versaut hat

Du kennst diese Situation garantiert: Du kommst gut gelaunt ins Büro, hast vielleicht sogar auf dem Weg einen verdammt guten Kaffee geholt, und dann passiert es. Dein Kollege sitzt schon am Schreibtisch, sieht aus wie sieben Tage Regenwetter und verbreitet eine Stimmung, die man mit einem Messer schneiden könnte. Zehn Minuten später fühlst du dich plötzlich auch beschissen – ohne dass überhaupt irgendetwas Schlimmes passiert wäre. Plot Twist: Du bist nicht verrückt, und nein, du bildest dir das nicht ein. Willkommen bei der emotionalen Ansteckung, einem psychologischen Phänomen, das wissenschaftlich so gut belegt ist wie die Tatsache, dass Montage grundsätzlich nerven.

Das unsichtbare Virus, das durchs Büro geistert

Emotionale Ansteckung klingt erst mal nach Esoterik-Geschwurbel aus einem Selbsthilfe-Workshop, aber die Wissenschaft dahinter ist knallhart. Die sogenannte Emotional Contagion Theory wurde 1993 entwickelt und beschreibt einen ziemlich verrückten Mechanismus: Wir Menschen übernehmen unbewusst die Gefühle anderer Leute, indem wir automatisch deren Gesichtsausdrücke, Körpersprache und sogar den Tonfall imitieren. Und das Irre daran ist – diese Nachahmung sorgt dafür, dass wir tatsächlich anfangen, dieselben Emotionen zu fühlen.

Dr. Olga Klimecki, Neurowissenschaftlerin, hat in einem Interview mit der Techniker Krankenkasse bestätigt, dass dieses Phänomen bei allen möglichen Gefühlen auftritt. Egal ob jemand vor Lachen nicht mehr kann oder panische Angst hat – wenn wir das mitbekommen, überträgt sich das auf uns. Besonders krass wird’s, wenn das Ganze unbewusst abläuft, also wenn wir nicht mal merken, dass wir gerade zum emotionalen Schwamm mutieren.

Dein Gehirn ist ein heimlicher Kopierer

Hier wird’s richtig abgefahren: Dein Gehirn ist im Grunde eine hochentwickelte Kopiermaschine für Emotionen. Wenn dein Kollege finster dreinschaut, ziehst du automatisch auch die Augenbrauen zusammen – minimal, fast nicht merkbar. Aber dein Gehirn registriert diese winzige Muskelanspannung und denkt sich: „Aha, wir machen ein grummeliges Gesicht? Dann läuft wohl gerade was schief.“ Und schwupps fühlst du dich auch mies, obwohl bei dir eigentlich alles in Butter ist.

Diese automatische Imitation von Mimik und Gestik ist evolutionär eigentlich ziemlich clever. Unsere Vorfahren mussten in Gruppen überleben, und da war es verdammt wichtig zu verstehen, was die anderen fühlen. Wenn jemand plötzlich panisch wurde, war das vermutlich ein guter Grund, auch selbst in Alarmbereitschaft zu gehen – vielleicht stand ja ein hungriges Raubtier vor der Höhle. Das Problem ist nur: Unser steinzeitliches Gehirn hatte keine Ahnung, dass wir irgendwann mal acht Stunden täglich in Großraumbüros mit fünfzig anderen gestressten Menschen hocken würden.

Wenn das Büro zur emotionalen Achterbahn wird

Am Arbeitsplatz dreht die emotionale Ansteckung erst richtig auf. Eine Forscherin namens Rieke hat 2024 an der Leibniz Universität Hannover eine krasse Studie mit Softwareteams gemacht. Das Ergebnis? Selbst über simple Textnachrichten können sich Stimmungen übertragen – also ganz ohne direkten Augenkontakt oder irgendwelche nonverbalen Signale. Die Art, wie jemand eine Nachricht formuliert, beeinflusst messbar die Laune des Empfängers und sogar dessen Produktivität. Wenn dein Teamkollege also passive-aggressive Slack-Nachrichten verschickt, ist das nicht nur nervig – es zieht buchstäblich deine Arbeitsleistung runter.

Aber es kommt noch besser: Die Studie zeigte auch, dass du besonders anfällig für diese emotionale Übertragung bist, wenn du eh schon gestresst oder abgelenkt bist. Mit anderen Worten: Wenn du gerade versuchst, drei Deadlines gleichzeitig zu jonglieren und nebenbei noch die zwanzigste E-Mail vom Chef zu beantworten, saugst du die miesen Vibes deiner Kollegen auf wie ein Schwamm in der Sahara.

Der Psychologe Abraham hat 2006 rausgefunden, dass emotionale Ansteckung einer der wichtigsten Faktoren für Teamgeist und Zusammenhalt ist. Die Gefühle einzelner Teammitglieder breiten sich auf die ganze Gruppe aus. Das kann fantastisch sein, wenn alle motiviert und gut drauf sind. Aber es bedeutet auch, dass eine einzige dauermiesepetrige Person die Stimmung eines kompletten Teams vergiften kann. Wie ein emotionaler Patient Zero, der eine Epidemie der schlechten Laune auslöst.

Die dunkle Seite der Macht: Warum Negativität siegt

Jetzt kommt die wirklich beschissene Nachricht: Negative Emotionen sind ansteckender als positive. Ja, genau, du hast richtig gelesen. Dein Gehirn hat einen eingebauten Negativitäts-Turbo. Evolutionär macht das Sinn – in der Steinzeit war es überlebenswichtig, dass sich Gefahrensignale schneller verbreiten als Freudenbekundungen. Wenn ein Stammesmitglied anfing zu schreien, weil ein Säbelzahntiger auftauchte, war es ziemlich praktisch, dass sich diese Panik sofort auf alle übertrug.

Im modernen Büro führt diese evolutionäre Altlast allerdings zu absurden Situationen. Ein Kollege kommt vom Chef-Meeting zurück und hat eine Laune wie ein gereiztes Stachelschwein. Binnen Minuten hat sich diese Miesepetrigkeit im ganzen Großraumbüro verbreitet. Plötzlich sind alle gereizt, die Produktivität sinkt, und keiner weiß eigentlich warum. Die Forschung erklärt genau diesen Effekt – und warnt vor toxischen Unternehmenskulturen, die entstehen, wenn ständig negative Emotionen die Runde machen.

Experten beschreiben dieses Phänomen als emotionalen Teufelskreis: Menschen stecken sich gegenseitig mit Zynismus, Frustration und Resignation an. Irgendwann wird die miese Stimmung zur Normalität, und niemand erinnert sich mehr daran, dass es auch anders sein könnte. Das Büro mutiert zur emotionalen Giftmülldeponie, und alle wundern sich, warum die Fluktuation so hoch ist.

Der Plot Twist: Gute Laune ist auch ansteckend

Bevor du jetzt überlegst, Eremit zu werden und nur noch aus dem Homeoffice zu arbeiten, kommt die gute Nachricht: Emotionale Ansteckung funktioniert in beide Richtungen. Wenn negative Stimmung wie ein Virus durchs Büro rast, dann gilt das auch für positive Energie. Eine Person, die authentisch gut drauf ist – nicht diese nervige Fake-Fröhlichkeit aus Motivationsseminaren, sondern echte gute Laune – kann die Atmosphäre eines ganzen Teams verändern.

Die Forschung zeigt, dass positive emotionale Ansteckung den Teamgeist massiv stärken kann. Teams mit positiver emotionaler Dynamik sind motivierter, kreativer und produktiver. Es ist, als würde jemand emotionales Vitamin D verteilen. Eine einzige Person, die Zuversicht und Wertschätzung ausstrahlt, kann die Stimmung kippen – im positiven Sinne.

Das bedeutet auch: Du hast mehr Einfluss auf die Büroatmosphäre, als du denkst. Deine Stimmung ist nicht nur deine Privatangelegenheit. Sie ist ein sozialer Faktor, der andere Menschen beeinflusst. Das ist gleichzeitig Verantwortung und Chance. Wenn du merkst, dass das Team in einer negativen Spirale steckt, kannst du bewusst positive Impulse setzen. Das ist kein naiver Optimismus, sondern strategischer Einsatz eines wissenschaftlich belegten psychologischen Mechanismus.

So wirst du nicht zum emotionalen Mülleimer

Jetzt fragst du dich wahrscheinlich: Wie verhindere ich, dass ich zur emotionalen Müllhalde für die miesen Launen meiner Kollegen werde? Die Wissenschaft hat ein paar praktische Tipps parat, die tatsächlich funktionieren. Bewusstsein ist die halbe Miete. Allein das Wissen, dass emotionale Ansteckung existiert, macht dich weniger anfällig. Wenn du merkst, dass sich deine Stimmung plötzlich verschlechtert, halte kurz inne und frag dich: Ist das meine Emotion oder habe ich die gerade von jemandem übernommen? Diese simple Reflexion kann schon helfen, die automatische Übertragung zu unterbrechen.

Schaffe Distanz, wo es geht. Die Studien zeigen, dass direkter Kontakt die Ansteckung verstärkt, aber auch indirekte Kommunikation wirkt. Wenn du mit jemandem zu tun hast, der chronisch toxische Vibes verbreitet, minimiere die Exposition. Das ist keine Unhöflichkeit, sondern emotionale Selbstfürsorge. Entwickle außerdem emotionale Grenzen. Das bedeutet nicht, gefühllos zu werden oder die Empathie auszuschalten. Es geht darum zu lernen, die Gefühle anderer wahrzunehmen, ohne sie komplett zu übernehmen. Du kannst verstehen, dass jemand einen beschissenen Tag hat, ohne selbst in diese Stimmung abzurutschen.

Nutze bewusste Emotionsregulation. Nach einer intensiven negativen Interaktion kannst du aktiv gegensteuern. Kurze Pause, ein paar bewusste Atemzüge, ein kurzer Austausch mit jemandem, der gute Laune verbreitet. Klingt banal, funktioniert aber. Und sei die Veränderung. Wenn du merkst, dass dein Team in einer negativen Spirale steckt, kannst du bewusst positive Impulse setzen. Ein Lob hier, ein Lächeln da, eine wertschätzende Bemerkung. Das ist kein naives Gutmenschentum, sondern strategischer Einsatz emotionaler Ansteckung. Du nutzt damit einfach dasselbe psychologische Prinzip, das sonst gegen dich arbeitet – nur eben zu deinen Gunsten.

Die unangenehme Wahrheit über dich selbst

Jetzt wird’s unbequem: Während du diesen Artikel liest und über die ganzen emotionalen Vampire in deinem Büro nachdenkst, solltest du dir eine Frage stellen. Bist du dir absolut sicher, dass du nicht manchmal selbst diese Person bist? Dass nicht manchmal du derjenige bist, der mit einer Stimmung ins Büro kommt, die dunkler ist als ein Horrorfilm?

Wir alle haben beschissene Tage. Wir alle bringen manchmal negative Energie mit zur Arbeit. Das ist menschlich und vollkommen normal. Das Problem entsteht, wenn wir uns dessen nicht bewusst sind und keine Verantwortung für unseren emotionalen Impact übernehmen. Die Forschung zur emotionalen Ansteckung zeigt uns etwas Fundamentales: Wir sind sozial miteinander verwoben, ob wir wollen oder nicht. Deine Stimmung ist nicht nur dein Problem – sie beeinflusst die Menschen um dich herum, die wiederum andere beeinflussen.

Das heißt nicht, dass du immer gut gelaunt sein musst oder negative Gefühle unterdrücken sollst. Das wäre ungesund und unrealistisch. Aber ein gewisses Bewusstsein für deinen emotionalen Zustand und dessen potenzielle Auswirkungen auf andere ist wertvoll. Manchmal reicht es schon zu sagen: Hey Team, ich hatte gerade ein richtig nerviges Meeting und bin etwas gereizt. Das hat nichts mit euch zu tun. Diese kleine Transparenz kann verhindern, dass sich deine Frustration unbewusst im ganzen Büro verbreitet.

Das digitale Zeitalter: Wenn die miese Laune per E-Mail kommt

Die Pandemie hat uns alle ins größte Homeoffice-Experiment der Geschichte katapultiert. Dabei haben wir etwas Faszinierendes gelernt: Emotionale Ansteckung funktioniert auch digital – aber anders. Die Studie der Leibniz Universität Hannover hat gezeigt, dass selbst reine Textkommunikation Stimmungen überträgt. Keine Mimik, keine Gestik, nur Worte. Aber diese Worte haben echte emotionale Konsequenzen.

Die Art, wie du in Slack, Teams oder per E-Mail kommunizierst, beeinflusst die Stimmung deiner Kollegen. Kurz angebundene, passive-aggressive Nachrichten verbreiten negative Vibes. Wertschätzende, konstruktive Kommunikation hingegen kann positive Energie übertragen. Das bedeutet: Selbst wenn du allein im Homeoffice sitzt, bist du nicht isoliert von diesem emotionalen Ökosystem. Jede Nachricht, die du verschickst, ist ein kleiner emotionaler Impuls, der sich ausbreiten kann.

Bei Videocalls kommt wieder mehr ins Spiel. Wir sehen Gesichter, hören Stimmen, nehmen nonverbale Signale wahr. Aber es fühlt sich anders an als persönliche Interaktion. Die leichte Zeitverzögerung, die Bildschirmbarriere, die fehlende räumliche Präsenz – all das verändert die Dynamik. Manche Forschende vermuten, dass dadurch die emotionale Ansteckung abgeschwächt wird. Aber sie verschwindet nicht komplett. Du kannst dich immer noch von der Stimmung deiner Kollegen anstecken lassen – auch durch einen Laptop-Bildschirm hindurch.

Warum die Laune deines Chefs besonders toxisch ist

Hier kommt ein Detail, das viele übersehen: Emotionale Ansteckung verläuft nicht in alle Richtungen gleich stark. Menschen in Machtpositionen haben einen überproportionalen Einfluss auf die emotionale Atmosphäre. Die Stimmung deines Chefs ist ansteckender als die Stimmung deines gleichgestellten Kollegen. Das ergibt evolutionär Sinn – wir sind darauf programmiert, auf Autoritätsfiguren besonders zu achten.

Wenn der Chef gestresst, ängstlich oder wütend ist, überträgt sich das wie ein Lauffeuer durchs Team. Studien zeigen, dass Führungskräfte mit chronisch negativer Ausstrahlung toxische Arbeitsumgebungen schaffen können, selbst wenn sie fachlich kompetent sind. Das ist auch der Grund, warum emotionale Intelligenz mittlerweile als eine der wichtigsten Führungsqualifikationen gilt. Ein Chef, der seine eigenen Emotionen regulieren kann und bewusst positive, konstruktive Stimmungen verbreitet, schafft messbar produktivere und zufriedenere Teams.

Das emotionale Ökosystem, in dem wir alle gefangen sind

Emotionale Ansteckung ist kein esoterischer Quatsch, sondern ein wissenschaftlich fundiertes Phänomen mit realen Konsequenzen. Die Stimmungen deiner Kollegen beeinflussen dich, und deine Stimmungen beeinflussen sie – automatisch, unbewusst und messbar. Dieses Phänomen hat direkten Einfluss auf Produktivität, Arbeitszufriedenheit und die gesamte Teamdynamik.

Negative emotionale Ansteckung kann toxische Arbeitsumgebungen schaffen oder verstärken. Positive emotionale Ansteckung kann Motivation, Kreativität und Zusammenhalt fördern. Die gute Nachricht ist: Du bist diesem Phänomen nicht hilflos ausgeliefert. Bewusstsein ist der erste Schritt. Wenn du verstehst, wie emotionale Ansteckung funktioniert, kannst du dich besser schützen, bewusster mit deinen eigenen Emotionen umgehen und sogar strategisch positive Impulse setzen.

Vielleicht ist es Zeit, den Arbeitsplatz nicht nur als Ort der Aufgaben und Deadlines zu sehen, sondern als emotionales Ökosystem, in dem wir alle Verantwortung tragen. Deine nächste Interaktion mit einem Kollegen ist nicht nur ein Informationsaustausch – sie ist auch ein emotionaler Einfluss, ein kleiner Dominostein in einer größeren Kette von Stimmungen und Gefühlen. Das nächste Mal, wenn du merkst, wie die Miesepetrigkeit eines Kollegen dich runterzieht, oder wenn du selbst einen beschissenen Tag hast: Denk an emotionale Ansteckung. Und entscheide bewusst, welche Art von emotionaler Energie du ins Büro bringen willst. Denn am Ende sind wir alle in diesem emotionalen Netzwerk gefangen – die Frage ist nur, ob du Teil des Problems oder Teil der Lösung sein willst.

Welche Büro-Laune zieht dich am schnellsten runter?
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