Birnen im Supermarkt: Warum sie für Millionen Deutsche zur Gefahr werden können

Warum Birnen allergische Reaktionen auslösen können

Im Gegensatz zu verpackten Lebensmitteln unterliegen frische Obst- und Gemüsesorten keiner Pflicht zur Allergenkennzeichnung. Diese rechtliche Lücke betrifft Birnen ebenso wie Äpfel, Pfirsiche oder Kirschen. Dabei enthalten Birnen verschiedene Proteine, die bei sensibilisierten Personen immunologische Reaktionen hervorrufen können. Besonders relevant ist hier das Allergen Bet v 1 aus Birkenpollen, das strukturelle Ähnlichkeiten mit Proteinen in Kernobst aufweist.

Diese biochemische Verwandtschaft führt dazu, dass Menschen mit Heuschnupfen beim Verzehr von Birnen plötzlich mit Symptomen konfrontiert werden, obwohl sie zuvor jahrelang problemlos Birnen gegessen haben. Das Immunsystem verwechselt die Proteine in der Frucht mit den Pollenallergenen und reagiert entsprechend. Die Bindungsstelle für IgE-Antikörper ist bei beiden Proteinen ähnlich aufgebaut, weshalb das Immunsystem sie nicht unterscheiden kann.

Das unterschätzte Phänomen der Kreuzallergien

Kreuzallergien stellen ein wachsendes gesundheitliches Problem dar, das in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer unterschätzt wird. Studien zeigen, dass etwa 70 Prozent der Birkenpollenallergiker auch auf bestimmte Nahrungsmittel reagieren können. Dieses Phänomen ist als Birkenpollen-Nuss-Kernobst-Syndrom bekannt und betrifft neben Birnen vor allem Äpfel, Pflaumen, Aprikosen, Kirschen und Nektarinen, aber auch Haselnüsse, Walnüsse, Mandeln, Karotten und Sellerie.

Wichtig zu wissen: Allergien gegen Birnen sind deutlich seltener als gegen Äpfel. Während etwa zwei Prozent der Bundesbürger an Apfelallergie leiden, gibt es zu Birnenallergien nicht einmal verlässliche Zahlen. Dennoch sollten Betroffene mit Birkenpollenallergie auch bei Birnen vorsichtig sein.

Die Symptome können dabei sehr unterschiedlich ausfallen: Kribbeln oder Brennen im Mund- und Rachenraum, Schwellungen der Lippen, Zunge oder des Gaumens, Juckreiz im Hals- und Ohrenbereich. In selteneren Fällen treten Magen-Darm-Beschwerden auf. Hautreaktionen wie Nesselsucht kommen ebenfalls vor, und in sehr seltenen Fällen können systemische Reaktionen bis hin zu Atembeschwerden auftreten.

Das Tückische: Viele Betroffene bringen diese Symptome nicht mit dem Obstkonsum in Verbindung, sondern führen sie auf andere Ursachen zurück. Ein fehlendes Bewusstsein für diese Zusammenhänge kann dazu führen, dass Menschen wiederholt Produkte konsumieren, die ihnen nicht guttun. Manche berichten von jahrelangen Beschwerden, die erst nach einem Zufallsgespräch mit einem Allergologen richtig eingeordnet werden konnten.

Warum frisches Obst keine Allergenkennzeichnung trägt

Die europäische Lebensmittelinformationsverordnung verpflichtet Hersteller, 14 Hauptallergene deutlich zu kennzeichnen – allerdings nur bei verpackten und verarbeiteten Lebensmitteln. Frisches Obst und Gemüse, das lose verkauft wird, fällt nicht unter diese Regelung. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Verbraucher die natürlichen Inhaltsstoffe eines Produkts kennen oder sich entsprechend informieren können.

Diese Annahme ignoriert jedoch zwei wichtige Aspekte: Zum einen sind Kreuzallergien selbst vielen Ärzten nicht in vollem Umfang bekannt. Zum anderen fehlt es am Verkaufsort an niedrigschwelligen Informationsmöglichkeiten. Während bei verpackten Produkten Zutatenlisten und Allergenwarnungen auf einen Blick erfassbar sind, müssen Verbraucher bei frischem Obst aktiv recherchieren – vorausgesetzt, sie wissen überhaupt, wonach sie suchen sollen.

Sortenvariationen und ihre Bedeutung für Allergiker

Ein wenig bekannter Aspekt ist die Tatsache, dass nicht alle Obstsorten das gleiche allergene Potenzial besitzen. Bei Äpfeln ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass es erhebliche Unterschiede zwischen Sorten bezüglich ihrer Verträglichkeit für Allergiker gibt. Dies hängt mit unterschiedlichen Proteinzusammensetzungen und Polyphenolgehalten zusammen. Allergische Reaktionen durch Apfelprotein sind deutlich besser erforscht als bei Birnen. Interessanterweise enthalten Birnen insgesamt weniger Proteine als Äpfel, weshalb Forscher derzeit an Kreuzungen von Äpfeln und Birnen arbeiten, um hypoallergene Obstsorten zu entwickeln.

Bei Äpfeln gilt: Je saurer ein Apfel und je höher sein Polyphenolgehalt, desto besser die Verträglichkeit. Frische Äpfel sind grundsätzlich verträglicher als gelagerte. Auch der Reifegrad spielt eine Rolle bei der Allergenkonzentration. Ob ähnliche Muster bei Birnen gelten, ist noch nicht abschließend erforscht.

Das Problem: Im Supermarkt finden Verbraucher selten detaillierte Informationen zur Sortenbezeichnung. Häufig werden Birnen lediglich nach Herkunftsland oder allgemeinen Kategorien wie Tafelbirnen angeboten. Für Allergiker, die durch Ausprobieren herausgefunden haben, dass sie bestimmte Sorten vertragen, wird der Einkauf so zum Glücksspiel.

Verarbeitungsformen und ihre Auswirkungen auf Allergene

Ein wichtiger Aspekt für Betroffene: Die Verarbeitung von Birnen kann ihre Allergenität erheblich beeinflussen. Viele der problematischen Proteine sind hitzelabil, das heißt, sie werden durch Erhitzen zerstört oder verändert. Menschen, die auf frische Birnen reagieren, vertragen daher häufig gekochte Birnen in Kompott oder Desserts, gebackene Birnen in Kuchen oder Aufläufen, Birnensaft aus pasteurisierten Produkten sowie eingemachte oder konservierte Birnen.

Diese Information findet sich jedoch kaum auf Produkten oder in Verbraucherinformationen. Dabei könnte dieses Wissen vielen Menschen helfen, ihre Ernährung entsprechend anzupassen, ohne vollständig auf Birnen verzichten zu müssen. Manche Allergiker entdecken diese Zusammenhänge erst nach Jahren durch Zufall.

Praktische Hinweise für den Einkauf und Konsum

Verbraucher mit bekannten Pollenallergien sollten beim Verzehr von Birnen besondere Vorsicht walten lassen. Folgende Strategien können helfen, Risiken zu minimieren.

Dokumentation der Symptome: Wer nach dem Verzehr von Obst unklare Beschwerden entwickelt, sollte ein Ernährungstagebuch führen. So lassen sich Muster erkennen und beim Arztbesuch konkrete Hinweise geben. Diese Aufzeichnungen erleichtern die Diagnose erheblich.

Allergietest bei Verdacht: Spezifische IgE-Tests oder Hauttests können Aufschluss über bestimmte Sensibilisierungen geben. Molekulare Allergiediagnostik ermöglicht sogar die Identifizierung der exakten Proteine, auf die das Immunsystem reagiert. Diese moderne Methode wird zunehmend verfügbarer.

Schrittweises Vorgehen: Wer eine Kreuzallergie vermutet, sollte neue Obstsorten zunächst in kleinen Mengen testen – idealerweise zu einem Zeitpunkt, an dem medizinische Hilfe verfügbar ist. Erste Tests sollten nicht unmittelbar vor wichtigen Terminen oder auf Reisen stattfinden.

Auf Verarbeitung setzen: Gekochtes oder gebackenes Obst wird oft besser vertragen als rohes, da die hitzeempfindlichen Allergene dabei zerstört werden. Ein Birnenmus kann eine sichere Alternative zur frischen Frucht sein.

Die Notwendigkeit besserer Aufklärung

Die aktuelle Situation zeigt einen klaren Bedarf an verbesserter Verbraucheraufklärung. Supermärkte könnten durch Informationstafeln in der Obstabteilung oder QR-Codes an den Auslagen auf Kreuzallergien hinweisen. Auch Gesundheitskampagnen während der Pollensaison wären sinnvoll, um Betroffene für die Zusammenhänge zu sensibilisieren.

Ärzte sollten Pollenallergiker routinemäßig über mögliche Nahrungsmittelkreuzreaktionen aufklären. Viele Patienten verlassen die Praxis mit einem Rezept für Antihistaminika, ohne jemals über die Verbindung zwischen ihrer Frühjahrsallergie und dem morgendlichen Obstfrühstück informiert worden zu sein. Das Hauptallergen Bet v 1 aus Birkenpollen steht wissenschaftlich nachgewiesen mit 29 verschiedenen Lebensmitteln in Verbindung – eine Information, die jeder Betroffene kennen sollte.

Die Diskussion um Allergenkennzeichnung bei frischem Obst ist noch lange nicht abgeschlossen. Verbraucherschützer fordern seit Jahren eine Ausweitung der Informationspflichten. Technische Lösungen wie digitale Produktinformationen könnten hier einen Kompromiss bieten: Über Smartphone-Apps könnten Verbraucher direkt am Regal auf umfassende Allergeninformationen zugreifen, ohne dass auf den Produkten selbst Etiketten angebracht werden müssen.

Bis dahin liegt die Verantwortung bei den Verbrauchern selbst, sich aktiv zu informieren und auf körperliche Signale zu achten. Birnen mögen für die meisten Menschen ein gesundes, bekömmliches Obst sein – für Menschen mit Birkenpollenallergie können sie jedoch ein oft übersehenes Risiko darstellen. Nur durch Bewusstsein und Information lassen sich unangenehme oder gar gefährliche Situationen vermeiden.

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