Diese versteckten Symbole auf Ihrer Kabeljau-Verpackung verraten mehr als jedes Öko-Siegel, aber 95% der Käufer übersehen sie

Die Vielfalt der Siegel – ein Dschungel für Verbraucher

Beim Griff zur Packung Kabeljaufilet im Supermarkt begegnen uns zahlreiche Symbole, Siegel und bunte Logos. Sie versprechen nachhaltige Fischerei, beste Qualität und ein gutes Gewissen beim Verzehr. Doch halten diese Versprechen auch, was die kleinen Bildchen auf der Verpackung suggerieren? Die Realität zeigt: Nicht jedes Symbol steht für strenge Kontrollen, und längst nicht alle Kennzeichnungen garantieren tatsächlich umweltschonenden Fischfang.

Wer sich bewusst ernähren und gleichzeitig die Meere schützen möchte, steht vor einer Herausforderung. Die Verpackungen von Kabeljaufilets zeigen oft mehrere Zeichen gleichzeitig: blaue Logos, grüne Häkchen, maritime Motive mit Fischen und Wellen. Manche dieser Kennzeichnungen stammen von unabhängigen Prüforganisationen, andere sind reine Eigenkreationen der Hersteller ohne externe Kontrolle. Diese Intransparenz macht es schwer, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen.

Besonders problematisch wird es, wenn Verbraucher davon ausgehen, dass jedes maritime Symbol automatisch für Nachhaltigkeit steht. Tatsächlich nutzen manche Produzenten die Sehnsucht nach umweltfreundlichen Produkten aus und setzen auf geschicktes Marketing statt auf echte Veränderungen in der Fangpraxis.

Was unterscheidet glaubwürdige von fragwürdigen Kennzeichnungen?

Der entscheidende Faktor ist die Unabhängigkeit der Prüfinstanz. Glaubwürdige Siegel von externen Organisationen legen strenge Kriterien an und führen regelmäßige Kontrollen durch. Diese Prüfungen umfassen die gesamte Lieferkette – vom Fanggebiet über die Fangmethode bis zur Verarbeitung. Bei seriösen Zertifizierungen wie dem MSC-Siegel bewerten unabhängige Gutachter den Fischbestand, die Auswirkungen auf die Umwelt und die Managementsysteme. Das Verfahren kann bis zu 18 Monate dauern, und Umweltorganisationen sowie andere Interessengruppen können sich vom ersten Tag an einbringen.

Fragwürdige Symbole hingegen entstehen häufig in den Marketingabteilungen der Unternehmen selbst. Sie sehen professionell aus, basieren aber auf selbst definierten Maßstäben ohne externe Überprüfung. Manchmal verweisen sie lediglich auf gesetzliche Mindeststandards, die ohnehin eingehalten werden müssen – ein cleverer Trick, um sich vom Wettbewerb abzuheben, ohne tatsächlich mehr zu leisten.

Kriterien für echte Nachhaltigkeit beim Kabeljaufang

Wirklich nachhaltige Fischerei berücksichtigt mehrere Aspekte gleichzeitig. Die Fangmethode spielt dabei eine zentrale Rolle. Grundschleppnetze richten massive Schäden am Meeresboden an und zerstören wichtige Lebensräume. Langleinen oder selektive Netze mit größeren Maschenweiten schonen dagegen Jungfische und reduzieren den Beifang erheblich. Das Fanggerät wird daher bei seriösen Zertifizierungen als wichtiges Bewertungskriterium herangezogen.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Fangquoten. Kabeljaubestände haben sich in manchen Regionen erholt, in anderen sind sie weiterhin gefährdet. Seriöse Zertifizierungen berücksichtigen die aktuelle Bestandssituation und passen ihre Anforderungen entsprechend an. Sie fordern wissenschaftlich fundierte Fangmengen, die den Beständen Zeit zur Regeneration geben. Bei einer Zertifizierung wird sich stets auf den Fang einer bestimmten Zielart mit einem definierten Fanggerät in einem festgelegten Fanggebiet bezogen.

Auch soziale Kriterien gehören zu einer umfassenden Bewertung. Faire Arbeitsbedingungen auf den Fangschiffen und in den Verarbeitungsbetrieben sollten selbstverständlich sein, sind es aber längst nicht überall. Manche Zertifizierungen schließen diese Aspekte mit ein, andere konzentrieren sich ausschließlich auf ökologische Faktoren.

Die Schwachstellen im Zertifizierungssystem

Selbst bei anerkannten Siegeln gibt es Kritikpunkte, die Verbraucher kennen sollten. Umweltorganisationen wie NABU und WWF kritisieren beispielsweise, dass manche Standards bedrohte Arten und sensible Lebensräume zu wenig schützen. In dokumentierten Fällen bekamen Miesmuschel- und Krabbenfischereien trotz erheblicher Bedenken der beiden Umweltverbände am Ende ein Nachhaltigkeitssiegel. Die Zertifizierung garantiert nicht automatisch, dass die Bestände nicht überfischt werden.

Umweltorganisationen fordern daher eine verbesserte und transparente Kontrolle. Kritisiert wird insbesondere, dass Zertifizierer von den Fischereien selbst beauftragt und bezahlt werden, was die Unabhängigkeit beeinträchtigen kann. Die Vergabe eines Siegels bedeutet nicht automatisch Perfektion, sondern oft einen Kompromiss zwischen ökologischen Idealen und wirtschaftlicher Umsetzbarkeit.

Die Kontrolldichte variiert je nach System. Zertifizierte Fischereien werden durch verschiedene Mechanismen überwacht: Manche haben unabhängige Fischereibeobachter an Bord bei jeder Fangfahrt, andere werden durch Hafeninspekteure kontrolliert, wieder andere erleben regelmäßige Kontrollen durch die Küstenwache, und viele nutzen Überwachungskameras an Bord. Je nach Risikolage können auch zusätzliche Kontrollen anberaumt werden, etwa bei Veröffentlichung kritischer wissenschaftlicher Bestandsdaten.

Das Problem der Rückverfolgbarkeit

Ein großes Manko bei vielen Kabeljaufilets ist die mangelnde Transparenz über die Herkunft. Zwar ist auf der Verpackung meist ein Fanggebiet angegeben, doch diese Angaben sind oft sehr weitläufig. „Nordatlantik gefangen“ kann vom norwegischen Küstengebiet bis zu den Gewässern vor Kanada alles bedeuten – Regionen mit völlig unterschiedlichen Bestandssituationen.

Innovative Ansätze arbeiten mit QR-Codes oder Chargennummern, über die sich das konkrete Fangschiff und der genaue Fangort zurückverfolgen lassen. Solche Systeme sind jedoch noch die Ausnahme. Für Verbraucher bleibt damit oft unklar, ob ihr Kabeljaufilet aus einem gesunden Bestand stammt oder aus überfischten Gewässern. Die Einhaltung präziser geografischer Angaben wird bei seriösen Zertifizierungen durch unabhängige Audits entlang der gesamten Lieferkette überprüft.

Qualitätssiegel versus Nachhaltigkeitssiegel

Eine wichtige Unterscheidung betrifft die verschiedenen Aussagen der Siegel. Manche konzentrieren sich auf die Produktqualität – etwa Frische, Verarbeitung oder Geschmack. Sie sagen jedoch nichts über die Umweltverträglichkeit der Fangmethode aus. Andere fokussieren sich ausschließlich auf Nachhaltigkeitsaspekte, treffen aber keine Aussage über die sensorische oder ernährungsphysiologische Qualität.

Für eine fundierte Kaufentscheidung ist es hilfreich, beide Aspekte im Blick zu haben. Ein nachhaltig gefangener Kabeljau, der aber durch schlechte Kühlkette oder lange Lagerzeiten an Qualität eingebüßt hat, ist genauso unbefriedigend wie ein erstklassiges Filet aus zweifelhafter Herkunft. Verbraucher sollten sich nicht von einem einzelnen Symbol täuschen lassen, sondern mehrere Informationsquellen nutzen.

Worauf Sie beim Kauf konkret achten können

Trotz aller Komplexität gibt es praktische Anhaltspunkte für den Einkauf. Suchen Sie nach Siegeln, die von unabhängigen Organisationen vergeben werden und deren Kriterien öffentlich einsehbar sind. Informieren Sie sich vorab, welche Standards diese Zertifizierungen tatsächlich fordern – oft sind die Informationen auf den Websites der Siegelbetreiber verfügbar.

Achten Sie auf detaillierte Herkunftsangaben. Je präziser die Informationen zum Fanggebiet und zur Fangmethode, desto transparenter arbeitet der Anbieter. Vage Formulierungen sollten Sie skeptisch machen. Bevorzugen Sie Kabeljaufilets mit Angaben zur Fangmethode. Handleinen, Ringwaden oder selektive Netze gelten als schonendere Praktiken als Grundschleppnetze.

  • Prüfen Sie, ob das Siegel von einer unabhängigen Organisation stammt
  • Achten Sie auf präzise Angaben zum Fanggebiet statt vager Formulierungen
  • Bevorzugen Sie Produkte mit Informationen zur verwendeten Fangmethode
  • Nutzen Sie QR-Codes auf der Verpackung für detaillierte Rückverfolgbarkeit

Bedenken Sie dabei, dass Zertifikate nicht unbegrenzt gelten. Bei seriösen Systemen muss die Fischerei nach fünf Jahren den gesamten Bewertungsprozess neu durchlaufen, um rezertifiziert zu werden. Dies gewährleistet, dass die Standards kontinuierlich eingehalten werden und sich an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse anpassen.

Die Rolle der Fischereiwirtschaft

Nicht alle Probleme lassen sich den Produzenten anlasten. Die Fischereiwirtschaft steht unter enormem Druck: internationaler Wettbewerb, schwankende Bestände, steigende Anforderungen bei oft niedrigen Margen. Kleinere Betriebe können sich aufwendige Zertifizierungsverfahren manchmal kaum leisten, obwohl sie möglicherweise nachhaltiger arbeiten als große Flotten mit Siegeln.

Diese Ambivalenz macht die Situation komplex. Ein fehlendes Siegel bedeutet nicht automatisch schlechte Qualität oder rücksichtslose Fangpraxis. Umgekehrt ist ein Siegel kein Freifahrtschein für unbedenklichen Konsum in beliebiger Menge. Die wirtschaftlichen Realitäten der Branche müssen bei der Bewertung berücksichtigt werden.

Eigenverantwortung und informierte Entscheidungen

Verbraucher haben mehr Einfluss, als sie oft denken. Nachfrage steuert Angebot, und wer gezielt nach zertifizierten Produkten greift und bei Unklarheiten nachfragt, setzt Signale. Supermärkte und Produzenten reagieren auf Kundenwünsche, wenn diese deutlich artikuliert werden.

Gleichzeitig ist es wichtig, realistische Erwartungen zu haben. Perfektion gibt es nicht, und jedes System hat Schwachstellen. Das Ziel sollte sein, die bessere Wahl zu treffen, nicht die perfekte – denn die existiert in der komplexen Realität der globalen Fischerei schlicht nicht. Wer sich die Mühe macht, hinter die Siegel zu schauen und deren Bedeutung zu verstehen, trifft bewusstere Entscheidungen. Das erfordert anfangs etwas Recherche, zahlt sich aber langfristig aus – für die eigene Gesundheit, für die Meere und für zukünftige Generationen, die ebenfalls Kabeljau genießen möchten.

Welches Siegel auf Kabeljau vertraust du am meisten?
MSC oder andere bekannte Siegel
Eigenkreationen der Hersteller
Gar keinem Siegel mehr
Ich achte nur aufs Fanggebiet
Kenne die Unterschiede nicht

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