Während die großen europäischen Metropolen im Dezember von Touristenmassen bevölkert werden, entfaltet Sarajevo seinen ganz eigenen Charme in der Vorweihnachtszeit. Die bosnische Hauptstadt zeigt sich jetzt von ihrer atmosphärischsten Seite: schneebedeckte Dächer über osmanischen Basaren, dampfende Kaffeehäuser an jeder Ecke und Einheimische, die sich Zeit für ein Gespräch nehmen. Wer als reiferer Reisender ein Wochenende mit Geschichte, Kultur und herzlicher Gastfreundschaft verbringen möchte, findet hier ein Reiseziel, das noch nicht vom Massentourismus überrollt wurde – und dabei erstaunlich budgetfreundlich ist.
Warum Sarajevo im Dezember eine kluge Wahl ist
Der Dezember verwandelt Sarajevo in eine Stadt zwischen den Welten. Die Temperaturen bewegen sich meist zwischen null und fünf Grad, gelegentlich fällt Schnee und hüllt die umliegenden Berge in ein weißes Kleid. Diese Jahreszeit bringt eine besondere Stimmung mit sich: Die Stadt ist ruhiger als im Sommer, die Preise sinken, und gerade für Reisende über 50, die Wert auf entspanntes Erkunden legen, bietet sich jetzt die ideale Gelegenheit. Man kann ohne Gedränge durch die Gassen schlendern, in traditionellen Kaffeehäusern Platz finden und die Sehenswürdigkeiten in eigenem Tempo entdecken.
Hinzu kommt die faszinierende Mischung, die diese Stadt ausmacht: Sarajevo vereint osmanische, österreichisch-ungarische und jugoslawische Einflüsse auf engstem Raum. Hier stehen Moscheen neben katholischen Kirchen, orthodoxen Kathedralen und Synagogen – ein lebendiges Zeugnis jahrhundertelanger kultureller Vielfalt.
Die Altstadt: Wo Orient auf Okzident trifft
Das Herzstück jedes Sarajevo-Besuchs ist Baščaršija, die osmanische Altstadt. Hier schlägt das historische Herz der Stadt. Die verwinkelten Gassen mit ihren Handwerksbetrieben, Kupferschmieden und kleinen Läden laden zum gemütlichen Flanieren ein. Im Dezember hängt oft der Duft von gerösteten Kastanien und traditionellem Gebäck in der Luft.
Besonders beeindruckend ist der Sebilj-Brunnen auf dem Hauptplatz, der zum Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Von hier aus lassen sich die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu Fuß erreichen – ein großer Vorteil für alle, die nicht mehr stundenlang durch weitläufige Metropolen hetzen möchten. Die Gazi-Husrev-Beg-Moschee aus dem 16. Jahrhundert ist architektonisch bemerkenswert, ebenso die nahe gelegene alte orthodoxe Kirche und die Kathedrale.
Ein Spaziergang zur Lateinerbrücke führt zu jenem historischen Ort, an dem 1914 das Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand die Weltgeschichte veränderte. Das nahegelegene Museum dokumentiert diese Ereignisse eindrücklich und kostet nur etwa 3 Euro Eintritt.
Zwischen Vergangenheit und Gegenwart
Sarajevo trägt die Spuren des Bosnienkrieges der 1990er Jahre noch immer sichtbar in seinem Stadtbild. Für geschichtlich interessierte Reisende bietet dies eine wichtige, wenn auch berührende Erfahrung. Die sogenannten „Sarajevo-Rosen“ – mit roter Farbe ausgefüllte Einschusslöcher im Pflaster – erinnern an die Belagerung der Stadt. Der Tunnel-Museum am Stadtrand zeigt den Überlebenstunnel, durch den während der Belagerung Hilfsgüter in die Stadt gelangten. Der Besuch kostet rund 10 Euro und ist für Menschen, die diese Zeit bewusst miterlebt haben, besonders bewegend.
Doch Sarajevo ist weit mehr als seine jüngere Kriegsgeschichte. Die Stadt hat sich neu erfunden und strahlt heute eine bemerkenswerte Lebensfreude aus. Die Einwohner begegnen Besuchern mit einer Offenheit und Gastfreundschaft, die in vielen europäischen Großstädten selten geworden ist.
Kulinarische Entdeckungen für kleines Geld
Die bosnische Küche ist herzhaft, schmackhaft und erfreulich preiswert. Čevapi, die kleinen gegrillten Hackfleischröllchen im Fladenbrot, bekommt man in einfachen Lokalen für 3 bis 4 Euro. Eine vollständige Mahlzeit mit Suppe, Hauptgericht und Getränk kostet in traditionellen Gasthäusern selten mehr als 10 bis 12 Euro.
Besonders im Dezember sollte man die warmen Eintöpfe probieren: Begova čorba, eine reichhaltige Suppe mit Gemüse und Fleisch, wärmt an kalten Tagen wunderbar. Auch die süßen Versuchungen der osmanischen Tradition wie Baklava oder Tufahija (gefüllte Äpfel) sind einen Versuch wert und kosten in Konditoreien etwa 2 Euro pro Portion.

Die Kaffeekultur ist in Sarajevo legendär. Bosnischer Kaffee wird in speziellen Kupferkännchen serviert und unterscheidet sich deutlich von türkischem oder italienischem Kaffee. Eine Tasse kostet in traditionellen Kaffeehäusern zwischen 1 und 2 Euro – und man bekommt die Zeit zum Genießen gratis dazu. Niemand wird Sie drängen, schnell zu trinken und Platz zu machen.
Praktische Fortbewegung in der Stadt
Sarajevo ist kompakt und fußgängerfreundlich. Die Altstadt und die meisten Sehenswürdigkeiten liegen so nah beieinander, dass man sie bequem zu Fuß erkunden kann. Für weitere Strecken gibt es Straßenbahnen und Busse, die zuverlässig funktionieren. Eine Einzelfahrt kostet etwa 1,20 Euro, ein Tagesticket rund 3,50 Euro.
Taxis sind ebenfalls erschwinglich, sollten aber mit eingeschaltetem Taxameter genutzt werden. Eine Fahrt innerhalb der Stadt kostet selten mehr als 5 bis 7 Euro. Vom Flughafen in die Innenstadt gelangt man mit dem Bus für etwa 2 Euro oder per Taxi für 15 bis 20 Euro.
Die Stadt liegt in einem Talkessel, umgeben von Bergen. Wer gut zu Fuß ist, kann Aussichtspunkte wie die Gelbe Bastion erwandern – der Blick über die verschneite Stadt ist im Dezember besonders eindrucksvoll.
Übernachten ohne das Budget zu sprengen
Sarajevo bietet eine breite Palette an Unterkünften für jeden Geldbeutel. Kleine Pensionen in der Altstadt kosten im Dezember etwa 30 bis 45 Euro pro Nacht für ein Doppelzimmer. Mittelklasse-Unterkünfte mit gutem Standard liegen bei 50 bis 70 Euro. Oft ist das Frühstück inbegriffen – ein herzhaftes bosnisches Frühstück mit Käse, Wurst, Eiern und Brot, das bis zum Nachmittag satt hält.
Wer zentral wohnt, spart sich Fahrtkosten und kann abends noch durch die beleuchteten Gassen schlendern, wenn die Tagestouristen bereits verschwunden sind. Die Gegend um Baščaršija bietet die authentischste Atmosphäre, während Viertel wie Marijin Dvor moderner sind und ebenfalls gute Anbindungen haben.
Was sonst noch auf dem Programm stehen sollte
Ein Besuch im Nationalmuseum lohnt sich besonders an kälteren Tagen. Die Sammlung umfasst archäologische Funde, Kunstwerke und naturhistorische Exponate. Der Eintritt beträgt etwa 4 Euro. Auch das Historische Museum bietet tiefe Einblicke in die bewegte Geschichte der Region.
Wer Interesse an Handwerk hat, sollte durch die Kazandžiluk-Straße schlendern, wo traditionelle Kupferschmiede noch immer nach alter Methode arbeiten. Hier entstehen Kaffeekannen, Teller und andere Gegenstände – schöne und authentische Mitbringsel, die deutlich preiswerter sind als in westeuropäischen Touristenläden.
Der Markale-Markt bietet einen Einblick in den Alltag der Sarajevoer. Hier kaufen Einheimische frisches Obst, Gemüse, Käse und Fleisch. Die Preise sind niedrig, die Qualität gut, und das Treiben ist authentisch.
Geld und praktische Hinweise
Die Währung ist die Konvertible Mark (KM), die fest an den Euro gekoppelt ist (etwa 1 Euro entspricht knapp 2 KM). Geldautomaten sind überall vorhanden, Kreditkarten werden in größeren Geschäften und besseren Lokalen akzeptiert. Bargeld ist aber nach wie vor König, besonders in kleineren Betrieben und auf Märkten.
Die Menschen sprechen oft Englisch, besonders die jüngere Generation. Grundkenntnisse in Deutsch sind ebenfalls verbreitet – viele ältere Bosnier haben durch Arbeitsaufenthalte oder persönliche Verbindungen Deutschkenntnisse. Das erleichtert die Verständigung erheblich.
Medizinische Versorgung ist vorhanden, eine Auslandskrankenversicherung sollte dennoch selbstverständlich sein. Apotheken sind gut ausgestattet, und gängige Medikamente erhält man problemlos.
Ein Wochenende in Sarajevo im Dezember bietet die seltene Kombination aus kultureller Tiefe, historischer Bedeutung und entspanntem Reisetempo zu Preisen, die anderswo kaum noch zu finden sind. Die Stadt verlangt nicht nach Eile, sondern lädt zum Verweilen ein – eine Qualität, die man als erfahrener Reisender besonders zu schätzen weiß.
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